Wie Arpeggien nicht nach Fingerübungen klingen

Die weite Welt der E-Gitarre ist neben aller Schönheit und Wohlklang auch eine Welt voller Mythen. Jeder kennt solche diffuse, nebelartig vor sich hinwabernden Halbwahrheiten über Röhren, Saiten, Picks, Gitarrenmarken etc.
Das macht auch vor der Harmonielehre nicht Halt. Neben den so genannten Modes (Kirchentonleitern) sorgen hier Arpeggios für allerlei Unheil. Man muß sie angeblich können. In Lehrbüchern und Videos werden aberwitzige Arpeggioläufe über drei Oktaven präsentiert. Anscheinend die einzige legitime Erscheinungsform von diesen Dingern. Na ja, wer’s mag. Ich bin da eher für eine Darreichungsform in kleiner Dosis an der richtigen Stelle. Damit will ich mich in diesem Beitrag beschäftigen.

Die berechtigte Annahme lautet ja, dass zum Beispiel über einen A7 schön brav das A7-Arpeggio zu spielen ist. Kann man nix dagegen sagen, klingt halt nur etwas  fad. Interessant wird es aber erst, wenn das gespielte Arpeggio und der begleitende Akkord nicht identisch sind! Dazu tut eine Beschäftigung mit Akkordsubstitutionen ganz gut. Für einen einzelnen Beitrag allerdings zuviel Stoff. Möglicherweise ein ander Mal zu diesem speziellen Thema mehr. Für heute soll genügen, dass unter anderem über den besagten Beispielakkord A7 ein G-Dur-Arpeggio, versehen mit der passenden Zielnote, phantastisch klingt. Hier ein Beispiel dazu:

 

G-Dur-Dreiklänge über A7

G-Dur-Dreiklänge über A7

 

Zwei aneinandergereihte G-Dur-Dreiklänge und ein kleiner bluesiger Abschluß, fertig ist ein modern klingendes Lick, fernab von ausgelutschten Bluespentatonik-Klischees. Was passsiert hier genau?
Die Töne g, h und d eines G-Dur-Dreiklangs erzeugen auf den Grundton A bezogen

  • die 7 (eine kleine Sept von a bis g),
  • die 9 (große None von a bis h) und
  • die 11 (eine Undezime von a bis d)

Allgemein formuliert: über einen Septakkord passt prima ein Dreiklang-Arp einen Ganzton unterhalb des Akkordgrundtones.

Einer geht noch. Und zwar mittenrein in die jazzige Substitution! Manch einer mag sich fragen, was sich mit Arpeggios vom Schlage eines m7b5 anfangen läßt. Der Akkord an sich ist schon abgefahren, aber erst das Arpeggio? Wo soll man das bitte einsetzen? Das Stichwort heißt „Nonenerweiterung“. Ihr seht nur Fragezeichen? Verständlich. Doch der Reihe nach: So kompliziert die Akkordbezeichnung auch klingt, die Töne eines solchen Vierklangs sind ganz easy auf zwei benachbarte Saiten zu verteilen. Sieht am Beispiel eines C#m7b5 (also cis, e, g und h) so aus:

 

Zwei identische Shapes für C#m7b5, lediglich um eine Oktave versetzt

Zwei identische Shapes für C#m7b5, lediglich um eine Oktave versetzt

 

Ein Lick damit könnte so aussehen:

C#m7b5-Arpeggio über A7

C#m7b5-Arpeggio über A7

 

Und was ergibt das jetzt auf den Grundton A bezogen? Die Töne cis, e, g und h erzeugen in Bezug auf A

  • die 3 (große Terz von a bis cis)
  • die 5 (reine Quint von a bis e)
  • die 7 (kleine Sept von a bis g)
  • die 9 (große None von a bis h)

Jetzt wird der oben gefallene Begriff „Nonenerweiterung“ verständlich. Neben den obligatorischen Akkordbestandteilen Terz, Quint und Sept erzeugt dieses m7b5-Arpeggio in Bezug auf den Akkordgrundton noch eine None. Der Akkordgrundton selbst, also das a, taucht nicht auf, das erzeugt genau den speziellen Sound dieses Konstrukts.

Es gäbe noch soviel mehr zu schreiben über Arpeggios und wie man durch geschickte Substitution ganz gezielte Färbung von Akkorden erreichen kann. Das allerdings ist ein buchfüllendes Thema. Ich konnte hoffentlich mit den zwei Beispielen einen kleinen Einblick in dieses faszinierende Thema geben. Bei Bedarf schreibe ich gerne nochmal drüber.

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