Chord of the week #1

Wo fange ich an? Wie erkläre ich’s meinem Kinde? Rein „souschl-midia“-technisch betrachtet bin ich ja garnicht mehr existent. Wie sonst können von einem Blogpost zum nächsten schlanke zwei Monate vergehen? Ja, richtig, Mooonate! Und das in einem Medium, wo im Sekundentakt getwittert wird und schreibende Gitarrenkollegen alle 48 Stunden einen neuen Blogpost um den Globus schicken. Nein, die heute beginnende Fußball-WM hat damit nichts zu tun. Wenngleich ich ein großer Fußballfreund bin, die Prä-WM-Ereignisse haben mich überhaupt nicht tangiert, ich weiß lediglich, wo und wann ich mich einfinden muß, um pünktlich zum Anpfiff Bier und Grillage abzugreifen.

Die Unterrichterei hat mich wieder in Beschlag genommen. Genauer gesagt, der Unterricht per Video. Ich stecke mitten in den Vorbereitungen für Videotutorials, die ich für das Unterrichtsportal meinemusikschule.net im Alleingang produzieren werde. Dass da als Videonovize die eine oder andere technische Problemstellung auftaucht, ist klar – eine bestimmte, die persönliche Geduldsgrenze austestende Dosis Murphy’s Law pro Tag muß sein. Bei soviel „Inbeschlagnahme“ kann es selbst dem eifrigsten Schreiber passieren, dass in Sachen Blog mal etwas Flaute ist.

Jetzt geht’s wieder los mit Bloggen und so, aber sowas von! Und weil ich seit geraumer Zeit eine Vorliebe für Themen habe, die Gefahr laufen, angesichts des weltweit grassierenden gitarristischen Solo-Autismus hinten runterzufallen, werde ich mich von nun ab regelmäßig (ich weiß, einmal alle sechs Monate ist auch regelmäßig …) den Akkorden widmen. Was wären wir ohne sie. Nichts. Da kannst das schönste Solo in die Tonne kloppen und über brav auswändig gelernte Fingersätze ein Ei drüberhaun, wenn es keinen rhythmischen bzw. harmonischen Hintergrund gibt, vor dem das Solo wirken kann. Darum habe ich den „Chord of the Week“ ersonnen. Ein mutiger Titel, denn er zwingt mich einmal pro Woche über Akkorde zu parlieren. Sicher wird sich der eine oder andere denken: Schön, da is‘ er ja nach drei Wochen fertich … Franz B. würde sagen: Schaun ma moi, dann seng ma scho! Wir können ja langsam anfangen bei harmlosen Lagerfeuer-Dur-Akkorden und uns zu unanständigen Klängen wie A13b9 vorarbeiten (für alle Interessierten, Fleißbildchensammler und Theorie-Nerds: das ist der Brecker Brothers-Akkord. Geilomat, wie man da mit Halbtonganzton drüberfräsen kann!).

Es geht mir wohlgemerkt nicht nur um Akkordtypen, also Dur, Moll, Mäjdscha-Sieben, Dominant-Flät-Feif etc. Ich möchte jeweils ein ganz konkretes, gitarrentypisches Voicing eines bestimmten Akkordtypus und dessen Einsatzbereich pro Folge beleuchten. Los geht’s mit Cmaj7#11, sprich: Ze-Mäjdscha-Sieben-Kreuz-Elf. Und so sieht er aus, der erste Chord of the Week:

Cmaj7#11

Cmaj7#11

Am besten mal anspielen und feststellen, was stimmungsmäßig rüberkommt. Vielleicht sowas wie: Oh, klingt abgefahren, unverbindlich und weit. Auch ein klein wenig mystisch. Solche bildhaften Beschreibungen finde ich übrigens immens wichtig, wenn es darum geht, sich einen Klang einzuprägen. Dass die Kreuz-Elf das entscheidende Intervall in diesem Akkord darstellt und der ganze restliche, theoretische Überbau wird eher sekundär. Nice to have, aber das Wichtigste ist meines Erachtens die klangliche Vorstellung eines Akkordsymbols, noch bevor der Akkord gespielt wird. Das es ein Weilchen dauert, bis die Ohren dieses Stadium erreicht haben, ist auch klar. Das aber nur am Rande. Das obige Voicing besteht aus den Tönen (von unten nach oben): c – h – e – fis. In Relation zum Grundton c entstehen als Intervalle: eine große Septime (h), eine große Terz (e) und eine übermäßig Quarte (fis), also ein Major-Sieben-Akkord mit übermäßiger Quarte. Ein Akkord dieses Typs entsteht auf der vierten Stufe einer harmonisierten Dur-Tonleiter. Wenn ich also, um im Beispiel zu bleiben, eine G-Dur-Tonleiter erst ab c beginne und bis zum nächsten c spiele, heißt die resultierende Tonleiter „lydisch“ und der entstehende Akkordtyp ist der besagte Cmaj7#11. Das soll als theoretische Analyse genügen, Sound ist wichtiger!

Mindestens genauso wichtig wie der Klang ist die visuelle Verortung auf dem Griffbrett. Der Grundton auf der tiefen E-Saite lokalisiert und es handelt sich um eine Dur-Klangfarbe. Als gedankliche Ausgangsbasis dient der altbekannte Barré-Akkord für C-Dur am achten Bund.

C-Dur, achte Lage

C-Dur, achte Lage

Solche sechsstimmigen Akkordmonster sind bestenfalls am Lagerfeuer zu gebrauchen, daher reduzieren wir das Ganze etwas und machen aus dem Grundton c am 10. Bund der D-Saite die Major Sieben des Akkordes (einen Bund tiefer). Übrig bleibt das Griffbild eines Cmaj7.

Cmaj7, achte Lage

Cmaj7, achte Lage

Nun ist hoffentlich schon ein gewisse optische Nähe zu Cmaj7#11 erkennbar. Das g auf der h-Saite im achten Bund wird einen Bund nach unten auf fis verschoben und fertig ist der lydische Sound. Hier im direkten Vergleich noch einmal der originäre Akkord:

Cmaj7#11

Cmaj7#11

So ein maj7#11-Sound wird oftmals als Substitut für einen regulären maj7-Akkord eingesetzt, gerade in jazznahen Stilistiken. Superklasse klingt er auch als Schlußakkord – ein allseits beliebtes Jazzrock-Klischee. Eine schöne Fleißaufgabe wäre jetzt, andere maj7-Akkorde auf maj7#11 hin umzubauen. Frohes Experimentieren!

 

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