Ja, war denn scho Weihnachten? Kinders, das geht mir zu schnell. Hab doch eben noch Geschenke ausgepackt und kurz darauf ein paar Böller in die Luft geblasen (ach ja, ihr Brot-statt-Böller-Verfechter da draußen: mit Brot will es einfach nicht klappen, das läßt sich nicht gscheit anzünden … ). Irgendwann braucht der Mensch aber auch Urlaub und Müßiggang, vor allem nach so einem Jahr wie dem vergangenen. Ich hatte manchmal den Eindruck, als würde ich die seinerzeit gewerkschaftlich geforderte 35-Stunden-Woche locker auf zweieinhalb Tage abfeiern. Kurzum, ich habe mich zusammen mit Frau und Kind Richtung Süden begeben, auf eine schöne Mittelmeerinsel, weil a) siehe vorletzten Satz, b) antizyklisches Reisen nahezu garantiert, dass keine S… unterwegs ist und c) ich dem deutschen Winter nicht nur entfliehen will, sondern MUSS!
Und wie ich da so in einem kleinen Nebenraum der Ferienwohnung sitze, auf der trocken gespielten E-Gitarre ein paar schräge Akkorde vor mich hinjazze und an einem Dur-Pentatonik-Lick vor mich hinschraube, stelle ich plötzlich ein paar Dinge fest. Nicht nur, dass ich nach einem aberwitzig herausfordernden und stressigen letzten Vierteljahr in 2013 endlich runterkomme und mental wieder gelassen werde. Diese zurückkehrende Lockerheit scheint sich sofort auf die Gitarre zu übertragen, allein schon in der Art, das Instrument anzufassen – „I’ve got the touch“ gewissermaßen.
Das Wichtigste aber: die Ideen fließen. Nicht nur die musikalischen. Mir fallen sofort diverse bereits bekannte Maßnahmen ein, mit denen ich allzu lieb gewordenen Übegewohnheiten wieder entgegentreten will. Davon will ich heute künden.
Sitzen vs. Stehen
Ich glaube, 99% aller Gitarristen – mich eingeschlossen – üben im Sitzen. Warum eigentlich? Wo doch Gigs und Proben im Stehen stattfinden. Was im kuscheligen Bürostuhl zuhause noch locker flutscht, ist im Stehen dargeboten eine mittlere Katastrophe. Kommt euch bekannt vor? Gut, dann auf, auf. Kann ganz schön anstrengend werden, garantiert jedoch einige lichte Momente, wenn man plötzlich nicht mehr fröhlich ein ganzes Programm vor sich hinrockt, sondern die aus sitzender Position bekannten Übungen im Stehen spielen soll. Probiert’s aus!
Akustikgitarre
Ich gestehe, ich bin ein E-Gitarren-Weichei. Nachdem mein Bekenntnis zu 9er-Saiten schon des öfteren für ausgelassene Heiterkeit sorgte, tendiere ich mittlerweile zu einem 10er Satz. Für Akustikgitarristen ist das aber immer noch Pillepalle. Da sind 11er Saiten Understatement und 12er die Norm. Aaaaaber, es klingt. Und wie! Daher bitte gerne und oft zur Akustischen greifen – die Saitenlage darf ja gerne auf E-Gitarren-Komfort eingestellt sein. Der kräftemäßige Mehraufwand hält sich in Grenzen und die E-Gitarre kommt einem nach ein paar Akustiksitzungen wie Spielzeug vor.
Nix is‘ fix
Das gilt auch für Songs und das Gewand, in dem sie bekannt wurden. Wie wäre es damit, einen Lieblingssong mal komplett umzubauen, nicht harmonisch, eher klanglich. Mein Spontanidee von gestern: das schwer drückende Scorpions-Instrumental „Coast to coast“ auf Akustikgitarre im Fingerpickingstyle! Oder mal „Girl from Ipanema“ verpunken. Wäre längst überfällig. Zugegeben, für solche Schoten braucht’s schon ein wenig Harmonielehrekenntnisse und Griffbrettübersicht. Zu letzterem habe ich mich auch bereits ausgelassen.
I got rhythm!
George Gershwin wußte es schon und ich möchte dem hinzufügen: Get rhythm! Egal wie, ob Backingtracks für gängige Harmoniefolgen, wie es sie im Netz gibt oder Playbacks für bekannte Songs. Die Maxime lautet: Rhythmus ist nicht alles, aber ohne Rhythmus ist alles nichts! Und wenn es nur darum geht, eine neue Tonleiter auszutesten – bitte immer, always and everywhere nur mit Playback! Ich kann Gitarre solo, also irgendwelche improvisierten Melodiefetzen und absurde Technikübungen ohne jegliche Begleitung schon längst nicht mehr hören geschweige denn ertragen. Warum? Weil Melodie und Harmonie/Rhythmik korrelieren. Dann und nur dann wird die ganze Schönheit und Wirkung von Musik hörbar.
Ohne Gitarre üben!
Es geht tatsächlich! Einen Tonleiterfingersatz in Gedanken durchzuspielen und dabei jeden Ton auch in Gedanken zu hören. Sich alle Dreiklänge für A-mixolydisch gedanklich auf dem gesamten Griffbrett zusammensuchen. Die neueste funky Rhythmuskreation erst auf der Tischkante trommeln, bevor man zum Instrument greift. Und für alle jene mit sportlichem Ehrgeiz nun die Königsdisziplin: Metronom auslöschen. Danach kommt nix mehr. Gut, höchstens noch Sextolen bei 120 auf dem Griff des Einkaufswagens trommeln … Also, das mit dem Metronom gestaltet sich folgendermaßen: Metronom auf ein Tempo irgendwo zwischen 60 und 80 bpm einstellen, das reicht dicke. Dann mit einem Stift im idealerweise perfekten Timing an die Tischkante klopfen, denn dann löscht das Klicken des Stiftes an der Tischkante das Klicken des Metronoms aus. Anfangs wird man daran fast verzweifeln, nach ein klein wenig Übung entsteht ein regelrechter Flow, dann ist locker eine Minute ausgelöschtes Metronom drin. Die definitive Übung für das eigene Zeitgefühl!
Können meine Vorschläge vermutlich keine besseren Menschen aus euch machen, so doch hoffentlich ein klein wenig bessere Musiker. Erfahrungsberichte gerne per E-Mail oder Direktnachricht im Sozialnetzwerk ihres Vertrauens!
Tanti saluti da Italia!