Da saß ich damals mit 15 wieder einmal in einer Unterrichtsstunde vor meinem Gitarrenlehrer – ein Akustiker, ein begnadeter Fingerpicker zweifelsohne, er hielt nur von der E-Gitarre im allgemeinen und von meinen Helden im speziellen nicht allzuviel – ausgenommen Eddie van Halen, dem attestierte er eine ganz gute Musikalität.
Der Unterricht hatte schon ganz schöne Längen, die ich vor allem auf dieses klassische Lehrwerk von Dieter K. zurückführe, aber der Herr Lehrer war ein sehr humorvoller Typ und hatte echt gute Sprüche drauf. Irgendwann kommt die Sprache aber auch aufs Üben, besser werden, mehr können, mehr wissen, das Übliche halt. Und da war er dann, der alles entscheidende Satz: „Wenn Du ernsthaft besser werden willst, gibt es drei Tipps … „. Meine Augen und Ohren wurden größer und größer! Was da jetzt kommen mag! Die alles-was-geht-einhundertprozent-wasserdichten-erfolgsversprechenden-Tipps zum Besserwerden! Ganz bestimmt. Ich konnte sie gut gebrauchen. Ich gierte förmlich danach. Vielleicht gab es ja irgendeine Abkürzung. Bitte, bitte sag’s mir!
Als dieser Traum von etwa einer halben Sekunde und die Atempause meines Lehrers von gleicher Länge zu Ende war, sprach er es aus: „Erstens: Üben. Zweitens: Üben. Drittens: Üben.“ Schöner Scheiß. Das wollte ich nicht hören. Er hatte im Grunde natürlich Recht: Wenn ich irgenwas besser können will, muß ich die entsprechende Tätigkeit recht oft wiederholen, bis sie sitzt. Kennt jeder vom Radfahren, Zähneputzen und Nutellabrotschmieren.
Mein Lehrer hatte allerdings das Wichtigste unterschlagen: Er hat mir nicht erklärt, WAS ich WIE üben soll, damit es vorangeht. Genauso gut könnte ein Fahrlehrer seinem Schüler erklären: „Ja mei, mußt halt mal schauen, da hast drei Pedale … und das mit dem Schalten wird schon“.
Darum will ich diesen lapidaren drei Üs die notwendige Ergänzung verpassen. Als da wäre:
Aufwärmen
Immer noch völlig unterschätzt und unterbewertet. Wozu soll man sich mit Warm Ups abmühen, wenn eh nur eine Stunde oder weniger an Übezeit da ist? Nicht nur vor dem Sport, sondern auch vor dem Üben sollte es selbstverständlich werden, sich aufzuwärmen. Damit ist übrigens nicht nur die Muskulatur gemeint, sondern auch der Geist läßt sich mit wohlklingenden Warm Ups in einen spielbereiten und aufnahmefähigen Zustand versetzen. Hier habe ich schon mal darüber geschrieben.
Regelmäßig üben
Alte Binsenweisheit, wird aber dennoch gerne umgangen – ich kann davon ein Lied singen! Also: besser jeden Tag für eine halbe Stunde ein Übungsprogramm absolvieren, als am Wochenende einen mehrstündigen Übemarathon. Letzteres mag sich kurzfristig gut anfühlen, ist auf lange Sicht aber für die Tonne. Womit nichts gegen langes Üben gesagt ist, nur regelmäßig muß es sein!
Langsam üben
Jeder will möglichst schnell schnell spielen. Dagegen ist nicht das geringste einzuwenden. Ich war genau so. GIT-Mitbegründer und Studio-Ikone Howard Roberts hat für meine Begriffe die ultimative Wahrheit zum Thema Schnelligkeit abgegeben: „… speed is a by-product of accuracy.“ Besser kann man es nicht ausdrücken. Erstmal langsam und sauber spielen, dann erst das Tempo erhöhen.
Ohne Gitarre üben
Geht nicht? Geht doch! Am besten mit Metronom. Auch das habe ich schon mal in einem anderen Beitrag angerissen. Die Übung mit dem Stift ist einfach Gold wert. Oder mal Rhythmen mit nur einer Hand auf den Oberschenkel klopfen, während die andere Hand die Viertel klopft. Das sorgt für ausgelassenen Heiterkeit. Garantiert!
Ich habe mich sogar schon dabei ertappt, wie ich gedankenverloren im Supermarkt auf dem Griff des Einkaufswagens Sechzehntel und Sextolen getrommelt habe.
Sich aufnehmen
Klingt harmlos, kann aber echt hart werden. Gerade wenn man glaubt, jetzt hat’s gegroovt, es hat Spaß gemacht und überhaupt ging’s gerade richtig ab. Beim Reinhören entdeckt man, dass von Groove nullkommanull zu spüren war, das Timing wackelt, als hätte es fünf Maß Wiesnbier intus und über den Sound wollma garnicht erst reden. Das bessert sich aber recht schnell, eine gewisse Eigenkritikfähigkeit vorausgesetzt.
Geduld
„Don’t expect overnight results. Be as disciplined as you can be.“ Da hat er Recht, der Robben Ford. Er muß es wissen, gehört er doch zu den ganz großen Namen im Gitarrenzirkus. Die Ungeduld und das Schielen auf die Kollegen, die schon eine Stufe höher sind, gehört dazu, sollte einen aber nicht verrückt machen. Verbesserungen und gute Resultate vollziehen sich oft beiläufig, gar unterschwellig und rückblickend stellt man an sich selbst fest, dass man plötzlich mit Akkorden hantiert, die man vor einem Jahr noch für völlig unspielbar erklärt hatte. Und das mit der Sechzehntelbewegung der rechten Hand für eine gepflegte Funkgitarre klappt auf einmal auch, ohne dass es einem dauernd das Pick aus der Hand dreht. Das beständige Dranbleiben verbunden mit einer gewissen Distanz zur Sache scheint gut zu funktionieren. Kurzum: Diszipliniert ja, verbissen nein!
Spaß!
Da erzähle ich nun wirklich nichts Neues. Spaß ist für mich der mit Abstand wichtigste Faktor am Musikmachen. Egal auf welchem Level. Ob Sofa oder Olympiahalle, Spaß muß es machen! Dazu zählt für mich schon das bloße Anfassen, die Haptik der Gitarre und erst recht die Töne, die ihr entspringen.
Das WIE hätten wir nun ganz gut eingegrenzt. Mit dem WAS möchte ich mich in einem der nächsten Blogartikel beschäftigen. Bis dahin!