Woher ich das weiß? An der Außentemperatur konnte es zumindest die vergangenen Wochen nicht liegen, obwohl der Kalender ja was anderes vermuten ließe. Für Musiker gibt es da einen ganz eindeutigen Indikator: Wenn man sich jedes Jahr etwa zur gleichen Zeit die Frage stellt: Wie komme ich nach Frankfurt? Zug, Auto, Flugzeug? Nervöse Recherche nach den günstigsten Ticketpreisen und ein paar Wochen später ist man mittendrin im Musikerfrühling: Musikmesse Frankfurt!
Ein gutes Thema, um meinen Blog zu starten, wie ich finde. Es polarisiert nämlich so schön. Wie so viele andere sechssaitige Themen auch. Aber das nur am Rande. Was habe ich schon alles an Entschuldigungen und ignorant-zynischen Statements hören müssen: „Warum soll ich mir diesen Streß antun? Soooo früh aufstehen…“, „Ich hab gehört, die Gitarren sollen dieses Jahr wieder aus Holz sein …“, „Das langweilt doch: warmes Bier, kalte Fleischpflanzerlsemmeln“. Auch gerne genommen: „Ich weiß nicht … bis ich mit der S-Bahn am Flughafen bin und dann auch noch einchecken, da kann ich ja gleich mit dem ICE… aber der ist immer sooo voll …“. Dann halt nicht. Selber schuld.
Ich war dort. Vor Ort. Schee war’s, wie wir Oberbayern sagen. Nicht dass ich nicht wüßte, dass Gitarren weitestgehend mit sechs Saiten bestückt werden – dazu braucht’s keinen 18-Stunden-Tag, wie in meinem diesjährigen Fall. Es geht um eine Stimmung, um ein Flair, wie man es eben nur auf dem Messegelände erleben kann und darum, der eigenen Begeisterung für die zweitschönste Sache der Welt mal wieder nachzuspüren. Gibts’s die noch, und wenn ja, kann ich sie noch wahrnehmen? Finde ich es – mit Verlaub – einfach nur geil, dem einen oder anderen Gitarrenstar über den Weg zu laufen, den Vorführern in den Soundkabinen zu lauschen, bekannte Gesichter zu sehen, bei Bockwurst und Bier zu pausieren um dann über echte Innovationen (ja, die gibt’s noch!) zu staunen. Es rührt sich emotional noch was? Schön. Dann ist man im Musikzirkus nach wie vor gut aufgehoben. Falls einem das zu euphorisch vorkommt, auch kein Problem. Dann vielleicht besser was Vorsichtiges machen, angstfrei Töpfern in der Camargue oder so.
Für jene, die nach wie vor Spaß an einem Brett mit Drähten und an leckeren Bildchen haben, ein kleiner, aber persönlicher Messe-Rückblick. Enjoy!
Auf den ersten Blick eine äußerst optimistische Annahme, die 70dB, die da an den gläsernen Eingangstüren zu den Hallen als maximale Lautstärke ausgegeben wurden. Ich hatte gerade kein Lautstärkemeßgerät – wie lautet eigentlich der Fachterminus dafür? -in der Hosentasche, aber meinem Empfinden nach war es deutlich leiser als oftmals in der Vergangenheit. Das bezieht sich allerdings nur auf die Vorführer und ausprobierenden Besucher an den Ständen in freier Wildbahn. In den gut isolierten Soundkabinen ging es wie gehabt zur Sache. Nach wie vor aber nur noch kopfschüttelnd kann ich das Soundgebaren in der Agora-Stage, einer riesigen Festhalle auf dem Messegelände, zur Kenntnis nehmen. Nicht die Lautstärke war das Problem, sondern der Schalldruck! Braucht jede musikalische Darbietung ein Bassfundament, als gäbe es kein Morgen, als stünde ein Erdbeben bevor? Und wenn ich dann auch noch eine Mutter seelenruhig den Kinderwagen durch dieses Schalldruckinferno schieben sehe, habe ich nur noch sehr begrenztes Verständnis für derlei Unfug.
Gitarristen und Innovation, das sind zwei Dinge, die scheinbar nur schwerlich zusammengehen – verhält sich in etwa wie Teufel und Weihwasser. Den der Gitarrist per se ist in der Instrumentenwahl doch eher rückwärtsgewandt, will sagen konservativ. Ich selbst nehme mich da nicht aus. Welche Designs sind immer noch die gefragtesten? Formen, die vor mehr als fünfzig Jahren erdacht wurden, sind auch heute noch unangefochten die beliebtesten.
Diesem Umstand treten immer wieder ein paar mutige Aufmischer gegenüber, die sich ihre eigenen Gedanken über funktionelles Design machen. Einer von ihnen ist Frank Hartung aus Thüringen, der schon seit einigen Jahren mit gewagten Formgebungen die Gitarrenszene aufmischt. Es geht ihm nicht um bloßes Anders-Sein, sondern mehr um das Perfektionieren von funktional-ergonomischen Zwängen (siehe Bild oben)
Spannend wird es dann, wenn einer wie Frank Hartung sich an der Neuinterpretation klassischer Formen versucht. Dass er auch das überzeugend hinbekommt, zeugt von der handwerklichen Klasse und gestalterischem Fingerspitzengefühl. Die Adaption von Designmerkmalen einer 59er Les Paul in ein eigenes Single Cut-Design mit der markanten und geschützten Flow-Carving-Decke ist ein echter Eyecatcher. Die enorme Plastizität ist auf einem Foto nicht ansatzweise zu vermitteln; das muß man live gesehen haben! (siehe Bild oben)
Es geht aber noch wilder! Das beweist der studierte Industriedesigner Uli Teuffel. Sein Modell Birdfish, das er bereits 1995 vorstellte, ist vermutlich der radikalste Bruch mit allen gitarrenbaulichen Konventionen. Das Design bekam zahlreiche Preise, ist sogar in diversen Museen anzutreffen und wurde vom englischen Guitarist-Magazin zu einem der wichtigsten Gitarren-Designs des 20. Jahrhunderts gekürt. Auch hier gilt wieder: die gestalterischen Verrücktheiten sind kein Selbstzweck, sondern dienen ausschließlich der Spielergonomie, gemäß dem ehernen Motto: Form follows Function. (siehe Bild oben)
Als damals Mitte der 70er im kalifornischen Pasadena, einem Stadtteil von Los Angeles, der pubertierende Eddie van Halen mit Klebeband und Spraydose seine Gitarren verschönerte, konnte er noch nicht ahnen, dass dieser Look die Rockgitarrenwelt revolutionieren würde. Der knallige Streifenlook ist zur Zeit wieder superangesagt. Unter dem Brand EVH fertigt Fender seit ein paar Jahren diesen Archetyp der modernen Rockgitarre in genau jenen farblichen Varianten, wie sie sich Eddie van Halen damals ersann. Die schwarzweiße Schönheit ist auf dem Cover der ersten Van Halen-LP zu finden, die schwarzgelbe Variante ziert das Backcover von Van Halen II und die rotweiße Powerstrat wurde mit dem Video von „Jump“ so richtig populär. (siehe Bild oben)
Wenngleich Slowhand Eric Clapton den Ruf seines legendären Woman-Tone mit einem Marshall Bluesbreaker-Combo begründete, so ist er in seinen alten Tagen zur kalifornischen Konkurrenz übergelaufen. Klingt plausibel, wo er doch mit „Brownie“ und „Blackie“ zwei der wohl bekanntesten Fender Stratocaster der Geschichte besaß. Die Tweed-Optik steht ihm gut, dem Amp und dem Eric. (Bild oben)
Nicht nur Neues oder Altes in neuem Gewand, sondern auch richtige Kostbarkeiten aus vergangenen Tagen waren zu bestaunen. Scorpions-Gitarrist Matthias Jabs, der in München den exklusiven Gitarrenladen MJ Guitars GmbH betreibt, hat in Kooperation mit dem No. 1 Guitar Center aus Hamburg im Vintage Show Room einige alte Schätzchen ausgestellt. Paarweise in Glasvitrinen, damit nicht jeder Unbedarfte einfach Gitarren im Wert eines Neuwagens vom Haken reißt. Die beiden Mittfünfziger Stratocaster im Bild oben können mit einem Quadratmeterpreis aufwarten, da kann nicht mal der Münchner Immobilienmarkt mithalten. Das Instrument links wechselt für EUR 35.000,- den Besitzer, die Schönheit rechts ist bereits für EUR 20.000,- zu haben. Wem das durchgeknallt oder jenseits von Gut und Böse vorkommt, der möge mal vorsichtig bei klassischen Musikern nachfragen, wieviel die für ein Instrument ausgeben …
Manchmal ist Musikerhumor doch etwas strange – gesehen bei Levys Straps. (siehe Bild oben)
Abschließend ein schönes Sinnbild für die Musikmesse Frankfurt aus Sechssaiter-Sicht: It’s all about guitars! Und weil einen der Gitarrenzirkus nirgendwo in derart geballter, verrückter, schriller und lauter Form ereilt, heißt es für mich auch 2014 wieder: Frankfurt, ich komme!