Ich war ja einer von den Akkordauswendiglernern. Immer wenn ein neuer Akkord daherkam, habe ich mir das visuelle Erscheinungsbild eingeprägt. Ohne Plan und ohne Ziel. Oder so getan, als ob … Dieses Spiel habe ich recht lange getrieben, bis ich die Notwendigkeit einer systematischen Herangehensweise erkannte. Das war zumindest ein ehrenwerter Ansatz. Bis zur endültigen Peilung war es noch ein sehr langer Weg – sofern man sie überhaupt jemals erlangen kann – , aber ich habe entdeckt, dass sich gewisse optische Muster des einen Akkordes in einem anderen Akkord wiederholen können. Wichtige Schritte auf dem großen Pfad der Effizienz und Bequemlichkeit. Veranschaulichen möchte ich das an ein paar wüsten Jazzakkorden. Der hier soll für heute die Hauptrolle spielen:
Wenn ein Akkord schon Emollsiebenbefünf heißt, das kann nix gutes bedeuten. Warum nicht A7 oder sowas? Da sehe ich wenigstens schon die karierten Flanellhemden am Lagerfeuer vor meinem geistigen Auge. Aber bei dem hier …
Gemach! Auch mit einem „Halbverminderten“ – so die umgangssprachliche Bezeichnung – lassen sich einige frivole Dinge anstellen. Er ist nicht nur Dauergast in Jazzstücken (einfach mal einen Blick ins Real Book wagen!), sondern auch noch überaus wandlungsfähig, kann sich gar chamäleonartig in anderen Akkorden verstecken, so dass man schon sehr genau hinsehen muß, um ihn zu identifizieren. Wie wär’s damit?
Die blaue Kennzeichnung sorgt für Aufklärung. In diesem Akkordmonster F#7#5b9 steckt doch tatsächlich ein Em7b5.
Da geht noch was, da ist noch Luft nach oben! So etwa:
Kaum zu glauben, auch in diesem Akkord – der James-Brown-Akkord übrigens – steckt ein Em7b5.
Einen hab ich noch, dann reicht’s für’s Erste. Der hier:
In diesen düster klingenden Gm6 hat sich ebenfalls ein Em7b5 eingeschlichen.
Spätestens jetzt sehe ich die Skeptikerfraktion schon wieder geschlossen um die Ecke biegen: So’n Müll, wer braucht’n sowas? Brauchen tut sowas keiner. Aber das gilt ja genauso für Red Bull, DSDS und Tütensuppe. So what.
Aber: Dieser analytische Röntgenblick in die Akkorde hinein hat maßgeblich zu meiner persönlichen Freiheit auf dem Griffbrett beigetragen. Das funktioniert übrigens auch mit „normalen“ Akkorden. Ich denke, bei so hartem Tobak muß ich nochmal nachlegen. Daher werde ich auch im nächsten Chord-of-the-Week auf diese Art von Akkordüberlagerung eingehen. Bis dahin fröhliches Entknoten der Gehirnwindungen!