Die singende Kolumne – Eric Pfeil zaubert Pop-Perlen im Milla

Die nachfolgende Konzertkritik war als Übung gedacht und Teil eines Seminars über Musikjournalismus und Musikkritik an der Akademie der Bayerischen Presse (abp). Eric Pfeil & Der Süden (Support: Katie Smokers Wedding Party) gastierte am 17.10. im Milla, München.

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Eric Pfeil verwandelt Wortkunst in Musik. Er singt nicht, er spricht sich durch die Songs. Als TV-Produzent, Buchautor und vor allem als FAZ-Kolumnist ist Eric Pfeil bereits eine feste Größe in der deutschen Pop-Landschaft. Jetzt hat er die Seiten gewechselt und das Album „Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht“ veröffentlicht.

Im „Milla“ war zunächst Geduld gefragt. Gleich zweifach. Zum einen füllte sich der Spielort nur sehr zögerlich und das auch nur spärlich, zum anderen wünschte man sich, die Vorband Katie Smokers Wedding Party möge bald ihre Bemühungen einstellen. Unbeholfen ungroovy schepperte das Münchner Quartett eine Dreiviertelstunde lang durch Songminiaturen, die in Details hier mal an die Fab Four und Sgt. Pepper erinnerten, da mal freche Postpunk-/NDW-Drums zitierten und per E-Mandolinen-Einsatz vorführten, wie R.E.M in langsam klingen würden. Nur, es wollte sich nicht verzahnen. Da war noch ein merklicher Reibungsverlust mit im Spiel.

Ganz anders Eric Pfeil. Mit dem obligatorischen, intellektuellen Dreitagebart und feinem Zwirn ausstaffiert, schreitet er die paar Stufen vom Backstageraum auf die Bühne herunter und redet sich in den ersten Song hinein. Die Band spielt souverän, da bleibt es sogar amüsant, wenn dem Chef persönlich das Gitarrestimmen auf offener Bühne nicht so recht gelingen mag. Pfeil ist so präsent, sein Charme ist gleichermaßen spröde wie dandyhaft, aber auch voll mit augenzwinkerndem Humor in den Ansagen.

Er schreitet seine skurrilen Satzgebilde regelrecht ab, so in „Der Mann, der Venedig hieß“. Wenn Pfeil hier eine Dame in eine Bar kommen läßt, „wie von einer Melodie begleitet“, umgarnen einen fröhliche Frühlingssinne. Nur ein paar Takte später trifft sie dort einen Mann, der viel zu berichten hatte von „zweiköpfigem Thunfisch und dreiköpfigem Hecht“. Die Texte sind voll mit Fragmenten, die für sich allein irritierend anmuten, im Gesamtkontext jedoch eine Wohltat für jeden wortgeplagten Deutschpophörer ergeben. Zeilen wie „Mein Vater war ein Orgelspieler, ansonsten mehr der ruhige Typ … er sammelte Kräuter, Briefmarken und Schrauben“ verschmelzen mit simplen Akkordfolgen in lakonischem Vortrag zu einer sonnigen Vorstadtmelancholie.

Mag Pfeils Intonation manchmal gerade noch die Kurve kriegen und sein Stimmumfang eher bescheiden sein, wer Worte so sorgsam pflegt und aneinanderreiht, braucht sich nicht dem akademisch korrekten Treffen der Töne verpflichtet fühlen. Für das Handwerk ist die Begleitband mit dem genialen Namen „Der Süden“ zuständig. Unauffällig professionell schaffen Pfeils Mitmusikanten die harmonische und rhythmische Basis für die wohl angenehmsten und gleichzeitig intensivsten Wortgeflechte, die der deutsche Pop derzeit zu bieten hat. Pfeils Texte wie auch die Musik leben von Leichtigkeit, versehen mit einem Schuß Melancholie. Sie sind liebevoll, komisch, manchmal skeptisch und verquer. Zu keiner Zeit erhebt sich der weltverbessernde Zeigefinger oder sind die Songs einfach nur albern. Er ist ein Querdenker, der genau hinschaut und dabei scheinbar aus dem Nichts bezaubernde Pop-Perlen entstehen läßt.

Das mit dem Gitarrestimmen wird auch noch. Die Songs sind schon richtig klasse.

www.ericpfeil.com

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