Chord of the Week #10

Er ist wieder da, der Chord of the Week. Mittlerweile haben wir Herbst, die Lebkuchen stehen in den Regalen und die kuschelige, wärmelnde Zeit nähert sich unaufhaltsam. Dazu passt mit seiner lieblichen, aber nicht kitschigen Anmutung perfekt ein Akkord, den ich zuerst optisch vorstellen möchte – zum Namen gibt’s nämlich noch etwas Erklärungsbedarf:

 

Für Smooth Jazz unverzichtbar

Für Smooth Jazz unverzichtbar

Greift sich ganz bequem – und klingt auch so. Dieser Chord ist kein Revoluzzer, wie etwa der Hendrix-Akkord (7/#9) oder der fiese alterierte Sound eines 7/13/b9. Nein, er klingt eher ungefährlich, dennoch „sophisticated“. Und vor allem der Namen!

Offiziell heißt dieser Akkord 7/9/11 (no 3rd) – ein Dominantakkord mit der Neun und der Elf, jedoch ohne Terz. Dagegen klingt Leutheusser-Schnarrenberger wie eine Abkürzung! Aber es gibt Abhilfe. Wenn man sich den eingekreisten Baß-/Grundton wegdenkt, bleibt ein simpler Dur-Dreiklang übrig (siehe auch hier). Andersrum gedacht: Dieser Akkord ist nichts anderes als ein Dur-Dreiklang mit einem bestimmten Baßton. Exemplarisch soll der Grunton auf der tiefen E-Saite ein A im fünften Bund sein. Der Dur-Dreiklang auf den mittleren Saiten wäre dann ein G-Dur-Dreiklang. Daraus ergibt sich eine deutlich anwenderfreundlichere Schreibweise: G/A (sprich: G über A). Der Buchstabe links vom Schrägstrich gibt den Dreiklang an, der Buchstabe rechts vom Schrägstrich den Ton im Baß. Allgemein formuliert läßt sich feststellen, dass der Grundton des Dreiklanges  (hier G) und der Baßton (hier A) im Abstand einer kleinen Septime stehen (das Intervall A – G). Die allgemeine, tonartunabhängige Schreibweise lautet also VII/I (sprich: sieben über eins).

Ich weiß, das ist viel Information. Raucht der Kopf noch? Dann flugs zum Plattenregal und eine Runde Smooth Jazz zum Relaxen aufgelegt. Meiner persönlichen Statistik nach kommt ein Sieben-über-Eins nirgendwo derart häufig vor wie in dieser Stilistik – die manche böserweise auch Kaufhausjazz nennen. Naja, wenn ich da an Kenny G. denke, keimt sogar sowas wie Verständnis dafür in mir auf. Spaß beiseite, wer sich unter diesem Sound noch nix vorstellen kann, dem seien Werke von Fourplay, Spyro Gyra, Jeff Lorber, David Sanborn, Chuck Loeb, Richard Elliot oder Larry Carlton ans Herz gelegt.

Auf geht’s zur zweiten Halbzeit, die Pausenmusik darf pausieren, denn der wichtigste Fakt kommt noch: Ein VII/I ist schöner Ersatz für einen normalen Siebener-Akkord, soll heißen: wenn ich vor mir einen A7 sehe, kann jener durch einen G/A ersetzt werden, ein D7 kann durch C/D ersetzt werden usw. In der Theorie zumindest, denn wenn ich in einem bayrischen Gstanzl eine Substitution solcher Art durchführe, kann ich mir der abschätzigen Blicke der Mitmusikanten sicher sein. Dann lieber den regulären Dominantakkord stehen lassen. Aber ihr wißt ja: Versuch macht kluch! Schnappt Euch einfach einen VII/I und verschiebt ihn taktweise übers Griffbrett. Genau, so entsteht Smooth Jazz Sound!

Einen hab‘ ich noch. Akkorde in der Schreibweise, wie wir sie heute kennengelernt haben, heißen Slash Chords. Um die Antwort auf die unvermeidbare Frage, die mir wirklich schon gestellt wurde, vorweg zu nehmen: Saul Hudson von den Gunners war an der Namensgebung nicht beteiligt. Slash bedeutet im Englischen ganz einfach „Schrägstrich.“

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